Stress lass nach!

Der Blick in die Terminkalender zeigt es: bei den meisten Menschen in unseren westlichen Industriegesellschaften ist er voll bis übervoll. Berufliche und private Termine werden bis zum Anschlag hineingepackt. Die Zeit will „ausgekauft“ werden, Ziel ist es, möglichst viel zu schaffen und in die freie Zeit viel „Action“ hineinzupacken.

Stress lass nach

Diese Anforderungen von außen und auch die Anforderungen, die jeder an sich selbst stellt, können dazu führen, dass sich der Einzelne ihnen nicht mehr gewachsen fühlt. Man empfindet sich als hilflos und ausgeliefert, große Befürchtungen an mögliche Konsequenzen steigen auf, Unruhe macht sich breit – das ist die eine Beschreibung des vielverwendeten Begriffs des „Stress“.

Seit dem Ausbruch der Pandemie sind zahlreiche neue Herausforderungen dazu gekommen. Allein das Ausbremsen und die abrupte Änderung des gewohnten Lebens bedeutet für viele Menschen Stress. Angst um den Arbeitsplatz, Isolation durch Homeoffice, Mehrbelastung durch Homeschooling, vielleicht die Aufregung wegen Coronafällen in der eigenen Familie oder bei einem selbst, die verschiedenen Meinungen zu den Geschehnissen, all das hat uns Mühe gemacht, vielleicht zum Umdenken gezwungen, gewaltige Veränderungen hervorgebracht. Die Wenigsten stecken das locker weg. Und wir müssen mit all dem fertig werden – als Person und als Paar.

Welche Reize notwendig sind, damit sich ein Mensch gestresst fühlt und wie er mit der Situation fertig wird, ist sehr unterschiedlich. Stress wird immer subjektiv erlebt und jeder geht anders damit um. In einer Partnerschaft treffen mit Sicherheit zwei Individuen mit verschiedenen Stressreaktionsmustern aufeinander – und das kann zu atmosphärischen Störungen führen.
Da kommen einmal Mann und Frau zusammen, die typischerweise unterschiedlich auf Stress und Probleme reagieren:

  • Männer suchen die Lösung in der Konzentration. Sie bearbeiten Probleme eher im Verborgenen, das heißt, sie denken darüber nach und wollen für sich selbst eine Lösung finden. Kein Dreinmischen von außen, keine Ratschläge bitte! Erst wenn „Mann“ nicht mehr weiterkommt oder denkt, eine Lösung gefunden zu haben, rückt er mit der Sprache raus und redet darüber. Er zieht sich also in seine sprichwörtliche innere Höhle zurück und bedenkt alles für sich. Männer lösen gerne Probleme, denn wenn sie erfolgreich von ihnen allein gelöst werden, beweisen sie damit Kompetenz und Kompetenz bedeutet Männern sehr, sehr viel.
  • Frauen dagegen reden über das, was sie bewegt und im Reden über jeden einzelnen Aspekt des Betrachteten finden sie dann ihre Lösung. Frauen suchen selten zuerst die Lösung, sondern wollen dem Thema emotional näherkommen.
  • Männer finden häufig, dass Frauen kompliziert sind und zu viel über Nichtigkeiten reden.
  • Frauen hingegen fühlen sich schnell vernachlässigt und ignoriert weil die Männer aufhören zuzuhören.

Frauen lösen Probleme emotional, Männer rational. Beide Wege führen zum Ziel!

Frauen fühlen sich im Allgemeinen schneller gestresst als Männer.

Auch die Unterstützung bei Stress des Partners ist unterschiedlich:

  • Viele Männer sehen, wenn jemand Hilfe benötigt. Sie helfen aber erst, wenn sie darum gebeten werden.
  • Frauen spüren die Bedürfnisse anderer intuitiv und helfen – häufig auch ungefragt, was bei Männern zu Irritationen führen kann. Frauen versuchen meist unterstützend zu agieren und sind daher häufig über männlichen Starrsinn entsetzt.

Zu all den geschlechtsspezifischen Unterschieden kommt, dass wir individuelle Persönlichkeiten sind, geprägt von verschiedenen familiären und vielleicht kulturellen Hintergründen – auch das beeinflusst unser Stressverhalten.

Stress führt zu Mechanismen, die der Partnerschaft schaden:

  • Stress reduziert die gemeinsame Zeit und unterhöhlt so das “Wir-Gefühl”
    Paare, die stressbedingt wenig Zeit miteinander verbringen, haben weniger Möglichkeiten des Austauschs, der tieferen, emotionalen Kommunikation und einer befriedigenden sexuellen Begegnung.
  • Stress beeinträchtigt die partnerschaftliche Kommunikationsqualität
    Es kommt zur Zunahme negativer Äußerungen
    Der Tonfall wird gereizt, sarkastisch, unangenehm, dadurch geht das Gesagte mehr unter die Haut.
    All das verunmöglicht eine tiefe, emotionale Begegnung.
  • Stress kann auch über eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Partner zur Belastung für die Beziehung werden
    Gesundheitliche Schäden durch Stress können, je nach Art und Dauer der Krankheit, erhebliche Einschränkungen und große Veränderungen im Leben für das Paar mit sich bringen.
    Ebenso kann eine durch Stress geschädigte Partnerschaft psychische und körperliche Störungen hervorrufen.
  • Stress demaskiert
    Unter Stress fällt es schwerer, seine positiven Seiten zu zeigen. Wenn man gereizt, sarkastisch, dominant, rücksichtslos, rigid und egoistisch unter Stress reagiert, führt das beim Partner zu Enttäuschung, Ernüchterung, Desillusionierung und Frustration. Er ist entsetzt, welche Eigenschaften des Partners da hervortreten. Das trägt zur emotionalen Distanzierung zwischen den Partnern bei.

Stress allein führt nicht zum Zerfall der Partnerschaft – der Umgang mit Stress ist entscheidend

Wenn ein Paar den Stress partnerschaftlich bewältigen kann, hat es positivere Auswirkungen, als wenn jeder für sich allein seinen Stress bewältigt. Das heißt: Auf schwierige Situationen nicht mit Schuldzuweisungen reagieren, sondern die Sache gemeinsam angehen und nach Lösungen suchen.

Da zeigt es sich, ob wir als Team funktionieren:

  • Sowohl beim Stress der beide gemeinsam betrifft (Umzug, Geburt eines Kindes, etc;)
  • als auch bei Stress, der nur einen Partner betrifft (z.B. Ärger am Arbeitsplatz) wo man sich wechselseitig Unterstützung gibt um dem anderen beizustehen.

Was braucht es dazu?

  • Gute Kommunikation (man sagt, wie es einem geht)
  • Empathie (Einfühlungsvermögen, Verständnis)

Auf diese Weise gut bewältigter Stress im Alltag, stärkt das Wir-Gefühl des Paares, das Wissen, dass sie aufeinander zählen können, das wechselseitige Vertrauen und auch die Bindung zwischen den Partnern.

Fragen zum Gespräch:
Wie reagiert jeder von uns typischerweise bei länger anhaltendem Stress?
Wie können wir uns gegenseitig unterstützen?