Was geht, wenn nichts mehr geht?

Wir kennen alle die Vorstellung von erfüllender Sexualität im langjährigen Ehe-Alltag. Gute Tipps, Seminare, Zeitschriften, Filme, Bücher, Seelsorger und Sexualtherapeuten und vieles mehr.

Was geht wenn nichts mehr geht

Es fällt uns nicht leicht, wir möchten aber trotzdem, vielleicht zur Ermutigung für andere, von unserem persönlichen Ergehen berichten, nachdem wir über viele Jahre Ehevorbereitung, Ehegespräche und Seelsorge allgemein angeboten haben und noch immer anbieten.

Es ging uns wie vielen Paaren. Es gab viele romantische Erlebnisse zu Beginn unserer Ehe vor mehr als 40 Jahren. Natürlich gab es auch Frust mit der Lust. Wir durften lernen, über unsere sexuellen Wünsche nachzudenken, sie uns selbst einzugestehen und auch im vertrauten Zweiergespräch einander mitzuteilen, wobei dies längere Zeit in Anspruch genommen hat. In diese Phase der immer tiefer werdenden Vertrautheit, der echter (intensiver) werdenden Liebeserlebnisse – weil beide in der Liebe und dem Angenommensein des Partners zur Ruhe kamen – bekam die sexuelle Vereinigung eine ganz neue Dimension. Eine Verspieltheit, eine Leichtigkeit, ein Sich-fallen-lassen-können. Wir konnten diese Zeit, trotz aller Höhen und Tiefen, total genießen.

Dann kam zuerst die Brustkrebserkrankung von mir, Ute, mit der entsprechenden Operation und den weiteren Behandlungen. In dieser Zeit war unsere Sexualität begrenzter, aber durchaus noch vorhanden und in der Form beglückend, weil ich spürte, dass Henry die Veränderungen in meinem Körper und meiner Psyche wahrnahm und mich nicht unter Druck setzte. Die vorhergehenden Prozesse, dass wir über unsere Bedürfnisse reden gelernt hatten, dass wir einander in aller Unterschiedlichkeit annehmen konnten und auf einander zugewachsen waren, half uns enorm. Während der Zeit, in der ich entsprechende Medikamente nehmen musste, war meine Libido eingeschränkt und doch halfen uns unsere Gespräche, die beidseitigen Bedürfnisse wahr- und ernstzunehmen.
Dann kam die Diagnose bei Henry: Prostatakrebs mit anschließender Total-Operation. Bis es zur OP kam, gab es viele Untersuchungen, drei Biopsien und ein längeres Arztgespräch, bei dem auch Ute anwesend war. Der Arzt teilte uns unmissverständlich mit, dass nach dieser Operation in den meisten Fällen keine geschlechtliche Vereinigung mehr möglich sein würde. Da wir schon seit Jahren Lernende waren in offener, ehrlicher, manchmal auch schmerzhafter Kommunikation, war auch dies in dieser Situation unser Weg. Wir haben viel miteinander geredet, uns für die OP entschlossen und natürlich weitergeredet. Das allerwichtigste und wertvollste war für uns beide, dass unsere Beziehung weit mehr ist, als reine Körperlichkeit. Der Körper des anderen ist, auch bei eingeschränkter Sexualität, noch immer begehrenswert, attraktiv und wohltuend.

Wir haben Wege gefunden, wie wir unsere Wertschätzung gegenseitig ausdrücken können, auch ohne vollzogenen Geschlechtsakt, wie schön Zärtlichkeiten sein können und wie wohltuend es ist, einfach sein zu dürfen – in aller körperlicher Begrenztheit.
Ja, es gibt Sexualtherapeuten, stimulierende Geräte und manches andere, das durchaus hilfreich sein kann. Wir haben für uns den Weg gefunden, die Herausforderungen aus Gottes Hand zu nehmen und die gemeinsam geschenkte Zeit in vollen Zügen zu genießen. Oft sprechen wir es uns gegenseitig zu: „Gut, dass wir einander haben“ und das aus ganz ehrlichem Herzen, weil Liebe nicht vom Sex abhängig ist.